Schlagwort-Archive: Tom Liehr

Die Sonne ist eine Frau

Noch ein Beitrag zur Gendern-Debatte

Sprache ist ein Kommunikationsmittel. Zuweilen Gesten und Mimik ergänzend oder selbst um diese ergänzt, soll sie (Sprache ist weiblich?) dazu dienen, unsere Gedanken und Gefühle anderen zu vermitteln, was, technisch betrachtet, nahezu völlig unmöglich ist und bestenfalls annähernd gelingen kann. Wer je versucht hat, die unfassbare Trauer und alle damit einhergehenden Gedanken und Gefühle nach einem schlimmen Verlust in Worte zu fassen, weiß, dass Sprache unzulänglich ist, ein eher schwaches Hilfsmittel, aber das beste, das uns bislang zur Verfügung steht. Eigentlich aber weiß das jeder Mensch. Und es gilt auch im umgekehrten Fall des wahnwitzigen Glücks, wenn man so große, vertraute, umfassende Nähe zu jemandem empfindet, und in vielen anderen, ganz alltäglichen Fällen, genau genommen aber: andauernd. Diese Schnittstelle zwischen uns Menschen, die die Sprache bildet, ist alles andere als perfekt, sie ist oberflächlich und vereinfachend, und je komplizierter Sachverhalte sind, je mehr man in möglichst wenigen Worten sagen will oder muss, umso schwieriger wird es, aber manchmal sind es auch ganz simple Dinge, die sich kaum ausdrücken lassen. Etwa dieses Gefühl, wenn man einen langen Schluck eiskaltes, kristallklares, leicht sprudelndes Wasser trinken konnte, nachdem man großen Durst hatte. Jeder kann sich dieses Gefühl vorstellen, aber formulieren lässt es sich nicht. Umgekehrt kann man in einfachen Worten manchmal sehr viel sagen. Und gelegentlich zu viel.

 

Das Gute: Alle Beteiligten wissen das, denn wir alle nutzen dieselbe Sprache. Wir wissen auch, dass unser Lächeln nie ganz genau so ist, wie das Gefühl, das wir dabei empfinden, und wir wissen auch, dass unser Gegenüber möglicherweise nicht exakt einschätzen kann, was es zu bedeuten hat. Diese Unzulänglichkeit im Umgang miteinander ist Bestandteil unseres Daseins, sie ist Quelle eines Erfahrungsschatzes, sie ist manchmal sogar Werkzeug, sie lässt Interpretationen zu und, ja, Missverständnisse, sie hat subtile Zwischentöne und bietet ganz viel Raum für Kreativität und Phantasie. Wäre Sprache perfekt, müssten Schriftsteller nicht andauernd dieselben Geschichten in unterschiedlichen Worten erzählen, denn genau das tun sie, tagein, tagaus. Es gäbe höchstens zwanzig, dreißig Bücher, weil in ihnen alles gesagt wäre.

 

Ich kenne alle Argumente für das Gendern, und ein paar davon sind schlüssig. Und auch wenn ich nicht davon überzeugt bin, dass dies der richtige Weg zu einem fraglos guten Ziel ist, wird allein die Debatte darüber, wird der Diskurs (jedenfalls, wo er möglich ist und nicht unserer – derzeit stetig wachsenden – Neigung, zu fraktionieren und zu separieren, uns jederzeit klar zwischen Zustimmung und Ablehnung zu entscheiden, zum Opfer fällt) zur Folge haben, dass wir uns mehr Gedanken über nach wie vor bestehende Ungerechtigkeiten machen, gegen sie angehen und sie – möglichst gemeinsam – beseitigen.

Wir müssen endlich damit aufhören, unsere Unterschiedlichkeiten als Qualitätsmerkmale zu begreifen.

Das ist der Kern aller Problematiken, und das gilt in alle Richtungen. Es ist unfassbar und schwer zu ertragen, was vielen Menschen angetan wurde und wird, aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder Unglaubens, ihres Aussehens, ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, ihrer sexuellen Neigungen, ihrer ethischen Vorstellungen, ihrer politischen Überzeugungen und aus vielen anderen Gründen. All dem liegt die Annahme zugrunde, absichtlich oder oktroyiert oder unbewusst, dass diese Merkmale etwas mit Wertigkeit zu tun haben. Aber der Umstand, dass es Ungleichbehandlungen oder sogar Misshandlungen aus solchen Gründen gibt oder gab, erhebt Betroffene nicht über alle anderen Menschen. Und übrigens gibt es Zwischentöne der Diskriminierung, zuweilen sogar ziemlich laute, denen sehr, sehr viele Menschen ausgesetzt sind oder werden, ohne dass sie sich je einer vermeintlich marginalisierten Community zugehörig fühlen oder fühlen wollen (oder es eine solche überhaupt gäbe). Und ebenfalls übrigens sind nicht wenige Menschen, die diskriminiert wurden oder werden, die misshandelt oder missachtet oder benachteiligt wurden oder werden, selbst in der einen oder anderen Weise mit ihrer eigenen Unfähigkeit konfrontiert, sich dem verlockenden Gefühl, anderen überlegen zu sein oder sich so zu verhalten, zu widersetzen.

 

Was hat das mit Sprache zu tun? Nun, die Behauptung, dass die Sprache nicht nur Werkzeug der Diskriminierung ist, was zweifelsohne zutrifft, genauso, wie sie Werkzeug der Erhebung, Preisung und des Lobes sein kann, sondern dass sie selbst bereits diskriminiert, dass sich also das Instrument sozusagen verselbständigt hat (oder so intendiert war) und ohne Anwendung durch Menschen Diskriminierung ausübt, diese Behauptung steht im Raum und führt derzeit an vielen Orten – freiwillig oder auf mehr oder weniger sanften Druck einer gut organisierten „Öffentlichkeit“- dazu, dass gegendert wird und dass Partizipkonstruktionen angewendet werden, was nur der Anfang ist. Einfach gesagt: Die Annahme, beispielsweise Frauen wären nur „mitgemeint“, wenn ein Substantiv verwendet wird, dessen Singular im generischen Maskulin steht und diesem entspricht (der Mensch), gilt sozusagen als beschlossene Sache. Wenn ich also von Lesern spreche, von Abonnenten und Kunden, dann rede ich, so diese Annahme, in der Hauptsache von Männern, und ich meine Frauen oder Menschen, deren biologisches Geschlecht uneindeutig oder überhaupt nicht vorhanden oder im Wandel ist oder die sich ihres Geschlechts nicht sicher sind oder sein wollen, höchstens etwas herablassend, sozusagen als Minderheit, als geringer geschätztes Anhängsel mit, während ich aber in der Hauptsache von Männern rede. Diese (hier sehr verkürzt wiedergegebene) Annahme ist das Axiom, das hinter sämtlichen Bemühungen steht, die Sprache selbst gerechter zu gestalten, und bedauerlicherweise wird es inzwischen von nicht wenigen der Einfachheit halber als wahr angenommen. Wir streiten kaum mehr über solche Grundsatzfragen; die überwiegend sehr akademische Diskussion, die übrigens einen Großteil der Bevölkerung aktiv wie passiv ausschließt und dies nach meinem Dafürhalten in voller Absicht tut, hat sich längst hiervon entfernt.

 

Aber ich meine Frauen nicht etwas herablassend mit, wenn ich von „meinen“ Lesern spreche. Mir ist das Geschlecht meiner Leser völlig egal, und wenn ich einen Satz wie „Meine Leser mögen offensichtlich die Art und Weise, wie ich mit Sprache umgehe“ schreibe, sehe ich weder hängendes Gekröse vor mir, noch vermisse ich auf irgendeinem Bild Geschlechtsmerkmale anderer Art. Ich sehe überhaupt kein Bild von einzelnen Menschen (obwohl ich mir natürlich mehr Leser wünsche) – ich verwende einen Oberbegriff. Der alle Geschlechter einschließt, und überhaupt alle körperlichen Merkmale, und sämtliche Ethnien und Glaubensrichtungen und sexuellen Orientierungen und was weiß ich noch alles. Ich habe kein Bedürfnis, das zu präzisieren, ich muss kein Binnen-I und kein Gendersternchen verwenden, um Frauen zu signalisieren, dass sie auch meine Leser sind, denn das wissen sie selbst, denn sie sind mit dem Oberbegriff nicht mitgemeint, sondern gemeint. Es gibt keine Notwendigkeit, hier etwas explizit zu nennen, das längst Bestandteil ist. Und zwar nicht als Minderheit, als qualitativ niederwertige Gruppe darin, als marginalisiertes Anhängsel, sondern als abstrakte Person ohne Geschlecht, ohne Neigungen, ohne als Qualitätsmerkmal missverstandene Eigenschaft, als irgendwas. Leser, das sind (beliebige, irgendwelche, alle) Menschen, die Bücher lesen.

 

Ja, ich kenne die Beispiele. „Von zwei Ärzten war einer schwanger“ aber – wer sagt denn sowas? Genausowenig erklärt man: „Von zehn Kund*innen haben zwei ihre Penisse verletzt, als sie mit dem Staubsauger zu masturbieren versuchten“ Wo Verkürzungen und abstrakte Begriffe Sinn haben, wendet man sie an, und wo man präziser werden muss oder sein möchte (!) und wo man von konkreten Personen spricht, formuliert man anders, gerne auch ausführlicher. Aber es gibt keine Notwendigkeit, immerzu mitzuerwähnen, dass Leser oder Soldaten oder Politiker oder Soziologen oder Kandidaten oder Wähler auch weiblich sein können, oder nichtbinär, oder dick oder dünn oder idealgewichtig oder blond oder braunhaarig oder glatzköpfig oder erkrankt oder gesund oder gottesfürchtig oder atheistisch oder klug oder minder intelligent oder groß oder klein oder alt oder jung oder fortschrittlich oder konservativ oder politisch uninteressiert oder reaktionär oder fit oder schlapp oder oder oder oder oder. Es ist deshalb nicht notwendig, es mitzuerwähnen, weil es enthalten ist. Das Axiom ist falsch. Es ist nicht erkennbar enthalten, das Wort bringt all dies nicht in einer Weise zum Ausdruck, die einen daran denken lässt, wie vielschichtig und vielfältig unser Menschsein ist, aber das ist auch nicht seine Aufgabe. Und hier liegt das Missverständnis. (Und darin, aber das wollte ich mir eigentlich ersparen, weil es schon häufig genug erwähnt wurde, dass Genus und Sexus nicht dasselbe sind.)

 

Ich weiß nicht, ob es Männer gibt, die wütend zum sonnenbeschienenen Himmel schauen, weil der größte Körper in unserem System mit einem weiblichen Artikel versehen ist, während dieses kleine Kügelchen Geröll, das die weibliche Erde umkreist, generisch männlich sein darf. Ich denke, die meisten Menschen werden sich einfach überhaupt keine Gedanken darüber machen, und sie werden auch keine Wertung vornehmen: Ah, die Sonne ist besser, weil sie weiblich ist, aber der Mond ist scheiße, das ist nur ein Mann, sogar ein alter und grauer. Wir wissen, dass es drei Artikel in der deutschen Sprache gibt, und wir wenden sie an, wie wir viele Begriffe anwenden und damit in der Anwendung etwas meinen, und das ist bei denselben Worten selten immer das gleiche. Es ist uns unmöglich, das, was wir meinen, präzise in den Köpfen ankommen zu lassen, die auf den Körpern derjenigen Menschen sitzen, die unsere Äußerungen zur Kenntnis nehmen müssen.

 

Wir müssen ohne Zweifel viel achtsamer im Umgang miteinander sein, wir müssen anerkennen, dass es Menschen gibt, die die Geschichte geprägt haben, und andere, die dabei außenvor gelassen wurden (und dass es gegenwärtige Menschen gibt, für die beides nicht gilt). Wir müssen aber auch unsere Unzulänglichkeiten akzeptieren, und die Tatsache, dass sie durch Gruppendenken verstärkt werden. Wir müssen Meinungen respektieren und weiter, nein, wieder differenzieren. Wir müssen dem gerechten Zorn begegnen und dabei helfen, ihn in sinnvoller Weise zu kanalisieren, aber wir dürfen uns nicht massakrieren, auch nicht auf Nebenschauplätzen, wie der Sprache, die niemals gerecht sein kann, weil das keine Eigenschaft eines Werkzeugs ist, sondern eine Eigenschaft derjenigen, die ein Werkzeug anwenden.

 

Wenn Menschen das Bedürfnis haben, auf die Tatsache hinzuweisen, dass die Welt nicht gerecht ist, indem sie eine besondere Sprache verwenden, dann verdient das Anerkennung und Respekt. Respekt verdient aber auch die Entscheidung, diesen Weg nicht zu gehen, sondern einen anderen zu wählen, der möglicherweise – niemand weiß das – sogar schneller und gerechter zum Ziel führt. Oder sich für einen all der möglichen Zwischentöne zu entscheiden, hin und wieder einen längeren Satz zu sagen oder zu schreiben, ohne dazu erpresst worden zu sein, und ansonsten dort, wo es möglich ist, dabei mitzuhelfen, dass wir alle besser miteinander zurechtkommen.

Lest die Wahrheit!

Endlich ist es geschafft – mein Heimatroman „Die Wahrheit über Metting“ ist seit dem 13.10.2020 im Handel erhältlich, und zusätzlich als ElektrobuDie Wahrheit über Mettingch und zum Hören, gelesen von Martin Bross (aber leider nur bei Audible als Download verfügbar). Parallel zum Verfügbarkeitstermin ist eine Leserunde bei „Lovelybooks“ gestartet – und am 20. Oktober geht es in gleicher Sache in meinem Lieblings-Bücherforum „Büchereule“ los. Da, dort oder anderswo – lest mein neues Buch, und sagt mir, wie es Euch gefällt!

Danke und viel Spaß (und: bleibt gesund)!

Herzlich,
Tom

Die Wahrheit muss noch bis zum Herbst warten

Es hat dieses Mal ein bisschen länger gedauert, und aufgrund der unerwarteten Umstände dauert es leider noch ein wenig länger. Eigentlich war mein elfter Roman „Die Wahrheit über Metting“ für Ende Mai 2020 zur Veröffentlichung geplant. Weil aber in diesem Jahr vieles ganz anders ist, musste der Roman auf den Herbst verschoben werden, obwohl er längst fertig ist. Der offizielle Erscheinungstermin ist nunmehr der 13. Oktober 2020. Ab diesem Tag könnt Ihr, wenn Ihr wollt – was mDie Wahrheit über Mettingich sehr, sehr freuen würde – alles darüber erfahren, wie Tomás Lebesanft in den späten Siebzigern im niedersächsischen Metting groß wird, und zwar im „Alten- und Pflegeheim Horizont“ in Metting-Hasenhügel, einem Randbezirk der (von mir erfundenen) Kleinstadt. Ihr könnt dann auch Marieluise Benedickt kennenlernen, Toms erste Freundin, oder Josefa, seine griechische Landschildkröte, und außerdem seinen besten Freund Filip aus Metting-Zeck. Und Toms etwas eigenartige Eltern – und die anderen Bewohner des Pflegeheims. Aber das ist nur der Anfang der Geschichte …

Auf die Ihr, wie erwähnt, nun leider noch ein paar Monate warten müsst. Ich hoffe sehr, dass wir alle diese Zeit gut überstehen. Bleibt gesund!

Herzlich,
Euer Tom

P.S.: Wenn Ihr auf die Cover meiner Bücher klickt, kommt Ihr nicht, wie Ihr das möglicherweise gewöhnt seid, auf eine Amazon-Bestellseite. Ihr landet stattdessen im Autorenwelt-Buchshop. Die Bücher, die Ihr dort bestellt – und das Sortiment ist umfassend -, liefert Euch libri nach Hause, aber der Shop hat eine Besonderheit: Vom Buchpreis geht ein kleiner Prozentsatz direkt an die Autoren, die sich dort registriert haben*. Wir bekommen nämlich von jedem verkauften Buch normalerweise nur ein paar Cent, ganz unabhängig davon, wo es gekauft wird, und gerade Autoren, die keine Bestseller haben, verdienen auf diese Weise erschütternd wenig Geld. Wenn Ihr also dort bestellt – und genauso schnell Eure Lieferungen bekommt wie sonst auch -, tut Ihr etwas Gutes. Nicht nur für mich. (* und bei Büchern von Autoren, die sich nicht registriert haben, geht der Beitrag an Autorenvereinigungen)

„Geisterfahrer“ goes Graphic Novel

Als er vor zweieinhalb oder drei Jahren zum ersten Mal mit mir Kontakt aufnahm und die Idee vorgestellt hat, habe ich das noch für aussichtslos gehalten, dann kamen die ersten Entwürfe und zogen mir den Stecker, um es mit Herrndorf zu sagen. Inzwischen sind die Verträge gemacht und die Veröffentlichung in einem kleinen, feinen Comicverlag steht an: Unter der Federführung des nach meinem Dafürhalten kongenialen Daniel Haas, der es irgendwie geschafft hat, die Bilder aus meinem Kopfkino abzupausen, entsteht auf 64 Seiten und im Hardcover die Comicversion – sprich: die „Graphic Novel“ – von/zu „Geisterfahrer“, meinem vierten Roman aus dem Jahr 2008. Das Script stammt von Simon Traschinsky, und erscheinen wird das ganze bei EPSiLON, wo Ihr es auch demnächst (vor)bestellen könnt.

Feinkörnig, oder?

Hier zwei Kostproben:

Leichtmatrosen. Der Film. Am 12.5.2017 in der ARD.

Der Film ist fertig – und er ist großartig geworden. Die drei Film-Leichtmatrosen Golo Euler, Stefan Szász und Gabriel Merz passen perfekt, Susanne Bormann ist eine hinreißende Cora, und überhaupt sind Stimmung und Thema des Romans von Drehbuchautorin Silja Clemens und Regisseur Stefan Hering (und den vielen anderen Beteiligten) exzellent eingefangen. Ich hatte beim Screening am 8. April in Schwäbisch Gmünd großen Spaß. Riesigen Spaß.

Und Ihr könnt das auch, wenn Ihr wollt. Am Freitag, dem 12. Mai 2017, um 20.15 Uhr in der ARD.

Hier ist der Trailer:

Leichtmatrosen – der Trailer

(Update: Die Leichtmatrosen schippern immer mal wieder durch die Kanäle, dritte wie erste. Und dann sind sie für eine Weile in den Mediatheken ladbar. Wer über Sendetermine informiert werden will, kann sich z.B. bei „TV-Wunschliste“ anmelden und Sendungsnamen hinterlegen, dann kommt automatisch eine Mail, sobald der Wiederholungstermin ansteht!)

Zehn.

Heiliges Huhn. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, als ich im Chefbüro des Verlags saß und Hände schüttelte, um das Schicksal meines ersten Romans zu besiegeln. Nein, es war nicht gestern, sondern vor mehr als dreizehn Jahren. Ungefähr gestern (plusminus drei, vier Tage) kam das Paket mit den Belegexemplaren meines zehnten Romans. Ab dem 21. Oktober 2016 ist er im gepflegten Handel erhältlich, als edel ausgestattete Klappbroschur: LANDEIER.

Zeit, mit ein paar Traditionen zu brechen, aber nicht mit allen. In „Landeier“ gibt es gleich zwei Ich-Erzähler. Der gescheiterte Großstadtjournalist Sebastian Kunze ist, wenn man so will, eine negative Hauptfigur, seine Frau Melanie, Erzähler Nummer zwei, möglicherweise eine positive. Das Buch spielt im herrlichen Spreewald, diesem pittoresken, sehens- und besuchenswerten Gurkenacker Gebiet südöstlich von Berlin. (Spaß beiseite. Ist wirklich schön da, und die Leute sind auch schrecklich nett.)

Hier die offizielle Inhaltsangabe:

Es ist das Paradies.
Es ist die Hölle.
Man nennt es Landleben.

Sebastian Kunze ist als Großstadtjournalist gescheitert. Er landet mit Frau und Tochter in der brandenburgischen Provinz, denn Melanie ist Psychotherapeutin, und auf dem Land gibt es, was sie braucht: Einen Kassensitz und therapiebedürftige Menschen. Doch die ländliche Realität zwischen Gurkenständen und Landgaststätten hält für das Paar einige Überraschungen bereit. Melanie traut sich bald kaum mehr auf die Straße – wegen all der «Bescheuerten». Sebastian hingegen lernt die Überschaubarkeit des neuen Lebens zu schätzen …

Lest selbst! Und: Viel Spaß dabei! Vielleicht sehen wir uns bei einer Lesung.

Leinen los für den „Leichtmatrosen“-Film!

IMG_1348Am 17. August 2016 ist es so weit – der offizielle Drehstart für die Verfilmung meines achten Romans „Leichtmatrosen“ (2013)! Nach nur knapp drei Jahren Vorbereitungszeit, was übrigens ziemlich sportlich ist, bringt die „Lichtblick Media“ für den Südwestfunk und die ARD/Degeto das „Roadmovie auf dem Wasser“ (also quasi ein Rivermovie <hüstel>) ins Fernsehformat, für eine Ausstrahlung zur Prime-Time voraussichtlich im Frühsommer 2017. Unter der Regie von Stefan Hering wird ein Drehbuch von Silja Clemens umgesetzt, unter anderem mit Golo Euler (Patrick), Stephan Szász (Henner), Gabriel Merz (Simon) und Susanne Bormann (Cora). Möglicherweise gibt es auch eine kurze Szene, in der ich zu sehen sein werde. Produzent ist Martin Heisler. Und außerdem arbeiten gefühlt noch zwei Millionen weitere Leute mit. Der Aufwand ist wirklich groß.

Das ist, vorsichtig gesagt, der Hammer. Aus meinem Plot und den Figuren, die ich mir ausgedacht habe, wird ein abendfüllender Spielfilm. Während der vergangenen drei Jahre habe ich, wann immer ich darauf angesprochen wurde, gesagt, dass ich das sowieso erst glaube, wenn ich’s im Fernsehen sehe. Okay, ich erlaube mir, es jetzt schon zu glauben. Und mich zu freuen. Mich ordentlich zu freuen. Nein, außerordentlich. Äußerst außerordentlich.

Feinkörnig!

„Veränderung bedeutet, dass man Halbgutes für Ungewisses opfert“

Dieser Satz stammt von Uwe Fielder, der Hauptfigur meines neunten Romans „Nachttankstelle“. Seit Ende August (2015) ist das Buch auf dem Markt, und damit hat wieder einmal diese äußerst merkwürdige Zeit begonnen, in der man völlig entnervt darauf wartet, wie das neue Machwerk angenommen wird. Denn darum geht es beim Schreiben: Zu erfahren, wie die Gedanken, die man zu Papier gebracht hat, von Euch, den Lesern, aufgenommen werden. Was Ihr davon haltet, ob es Euch amüsiert, freut, ärgert, langweilt, begeistert oder deprimiert (was weit jenseits meiner Absichten läge).

Umso mehr, da dieser Roman anders ist. Wenn ich mir die Schar der Figuren, die ich ins Leben gerufen habe, so anschaue, dann scheint es eine gewisse Kontinuität zu geben, denn von Donald Kunze („Radio Nights“, 2003) über Henry Hinze („Idiotentest“, 2005), Tim Köhrey („Geisterfahrer“, 2008), Nicolas Sender („Pauschaltourist“, 2009), Falk Lutter („Sommerhit“, 2011) und Patrick Finke („Leichtmatrosen“, 2013) bis hin zu jenem Uwe Fiedler, dessen Mantra in der Überschrift vorzufinden ist, geht es immer um Typen, die nach ihrem Platz im Leben suchen, mal humoriger („Pauschaltourist“), mal substantieller („Sommerhit“). Aber in „Nachttankstelle“ nimmt die Weltsicht des Protagonisten eine deutlich prominentere Position ein. Und es geht in diesem Buch eigentlich nicht so sehr darum, was jener Uwe Fiedler an sich selbst ändern müsste, sondern eher darum, was an der Welt so falsch ist, dass man sich ändern muss, um mit ihr zurechtzukommen. Eine Leserin merkte an, dass es fast schon ein „philosophisches Buch“ wäre – womit ich einverstanden bin, vom Adverb „fast“ vielleicht abgesehen.

Was ich sagen will (keine gute Einleitung, ich weiß, aber hier mal passend): Es interessiert mich sehr, wie Ihr diese Veränderung wahrnehmt. Womit ich keineswegs meine, dass die bisherigen Romane halbgut waren, was ich ohnehin nicht zu beurteilen habe. Sondern schlicht, ob Euch das gefällt, wie die Geschichte von Uwe Fiedler erzählt wird. Weil das die Frage ist, die mich umtreibt, seit ich „Ende“ unter das Manuskript geschrieben habe. Also, meldet Euch. Meine Mailadresse findet Ihr im Impressum. Danke!

Herzlich,
Tom

Ab August 2015 wird nachts getankt

Nein, dieser Roman wird keine Reminiszenz an jene Zeiten, als man sich des Nachts, wenn die Tankanzeige „Running On Empty“ anzeigte, noch eine Tankstelle suchen musste, die geöffnet hatte. „Nachttankstelle“ spielt in der Jetztzeit und in Berlin, genauer: In Neukölln. Jedenfalls überwiegend.

Das Buch handelt von Uwe Fiedler, 38, chronisch migränekrank. Er ist ein Gutmensch im positiveren Sinn des Wortes, leider aber auch ziemlich lethargisch und allgemein veränderungsscheu. Zehn Jahre hat er mit Ulrike zusammengelebt, aber das ist vorbei, und nun muss er wieder von vorne anfangen, oder eigentlich von hinten, denn es verschlägt ihn aus dem possierlichen Berlin-Friedenau nach Neukölln. Dort lernt er die mysteriöse Tresenkraft Jessica kennen, in die er sich verliebt, und nachts, an der Tankstelle, wo Fiedler jobbt, den Hedonisten Dominik Matuschek, der zuerst sein Mentor wird, dann aber ziemlich schnell sein Widersacher.

In meinem immerhin schon neunten Roman geht es um Freundschaft, Liebe und all diese Dinge, um die es ohnehin immer geht, übrigens auch in anderen Romanen, aber vor allem um Vertrauen, Ehrlichkeit und die Art, wie Menschen miteinander umgehen. Gentrifizierung spielt eine wichtige Rolle, es gibt eine Prise Verschwörung und eine Wagenladung origineller Figuren, wie ich meine. „Nachttankstelle“ ist witzig, lakonisch, manchmal ziemlich nachdenklich und insgesamt ein Buch, auf das hoffentlich nicht nur ich mich äußerst freue. Es hat jedenfalls großen Spaß gemacht, diesen Roman zu schreiben, der einerseits sicher recht liehrtypisch ist, dann aber auch wieder nicht.

Schaut selbst.

Ab August 2015 im gepflegten Handel. Morgens, mittags, abends, gerne aber auch nachts.

Und: Das Tanken nicht vergessen!

(Bild aus der Verlagsvorschau. Die könnt Ihr hier herunterladen.)

Neverending Radio Nights

An das Gefühl – die Gefühle – kann ich mich noch sehr gut erinnern. Als ich das fertige Manuskript abschickte. Als mein Agent anrief, um mir mitzuteilen, dass er den Text sehr mochte. Als er abermals anrief, um mir anzukündigen, dass es einen Gesprächstermin bei „Aufbau“ gäbe. Als ich dort saß, vor dem Programmleiter und meinem zukünftigen Lektor, und mich ungläubig in einem richtigen Buchverlag umschaute, der wahnsinnigerweise ein Buch von und mit mir machen wollte. Als ich die Verträge unterschrieb (übrigens, ohne sie gelesen zu haben). Als ich die ersten Coverentwürfe sah. Als ich mit meinem Lektor unermüdlich endlose Gespräche führte, über Figuren, Schauplätze, die Anordnung von Kapiteln – und all das immer noch für einen absurden Traum hielt. Als ich erstmals Danksagungen verfasste. Als ich die erste Verlagsvorschau erhielt, in der ein Roman von mir angekündigt wurde. Als die Fahnen kamen. Als die Belegexemplare geliefert wurden. Als die erste Besprechung erschien (in einem Frauenmagazin namens „Allegra“). Als ich hypernervös und psychisch wie physisch völlig am Ende nach zwanzig angstvoll durchwachten Nächten vor dem Buchpremierenpublikum saß und aus meinem ersten Roman vorlas. Als die ersten Leserbriefe eintrafen.

Ich habe jetzt, in diesem Augenblick, während ich das hier schreibe, eine mordsmäßige Gänsehaut. Zwischen meinem ersten fiktionalen Text und der Veröffentlichung meines ersten Romans lagen 25 Jahre. Als es dann tatsächlich passierte, war das weit mehr als nur die Erfüllung eines Traums. Mir fällt leider kein Vergleich ein, der funktionieren könnte. Es ist nicht in Worte zu fassen. Und ich werde es ganz sicher nie vergessen, jedenfalls so lange nicht, wie ich über ein funktionierendes Gedächtnis verfüge.

Nicht nur deshalb liegt mir mein Erstling „Radio Nights“ sehr am Herzen. Wann immer ich dieses Buch zur Hand nehme, um ein paar Seiten zu lesen, kann ich mich leicht in die damalige Stimmung versetzen. Ich weiß noch, wo ich was geschrieben habe, und wann, oder welche Realpersonen für welche Romanfiguren Pate standen. Ich weiß noch, wie energisch und ehrgeizig und auch naiv und überzogen erwartungsvoll ich damals war. Wie die Gespräche verliefen, die ich mit befreundeten Autoren rund ums Manuskript führte. Wie sehr ich mich in Donald, Lindsey, Frank, Hagelmacher, Liddy und all die anderen Figuren verliebt habe. Die auch jetzt noch, über zehn Jahre danach, wie alte, lange nicht mehr getroffene Freunde in meinem Kopf herumspuken. Manchmal, wenn ich Radio höre, frage ich mich, was Donald „Don FM“ Kunze wohl zu dem sagen würde, was da gesendet wird.

Und deshalb freut mich außerordentlich, dass der Aufbau-Verlag im Jahr 2014 eine weitere Neuauflage dieses Romans publizieren wird. Es ist nach 2008 schon die zweite Neuauflage, und damit die fünfte insgesamt. Es ist nicht selbstverständlich, dass Romanen, die keine Bestseller waren, verlagsseitig so lange die Treue gehalten wird. Und es ist sehr schön, zu wissen, dass auch in Zukunft noch Menschen dieses Buch, meinen ersten Roman, in die Hand nehmen, kaufen und lesen können, um gleich zweimal zu erfahren, wie bedeutsam Lebensträume sein können, sind und sein sollten.

Und so wird es aussehen: